Februar 2019 | Interview
Christina Burkhardt: Das Mindset macht’s
Auf unserem neuen Blog werden wir unter dem Titel weiterdenker ab sofort regelmäßig Interviews mit inspirierenden Persönlichkeiten veröffentlichen. Ich freue mich sehr, dass ich unser allererstes Interview mit Christina Burkhardt führen durfte. Christina ist dreifache Mutter, leidenschaftliche Netzwerkerin und die Gründerin der SHIFTSCHOOL – Deutschlands erster Akademie für Digitale Transformation.
Christina, du hast zusammen mit deinem Mann Tobias vor gut drei Jahren die „SHIFTSCHOOL for Digital Transformation“ in Nürnberg gegründet. Kannst du kurz die SHIFTSCHOOL und deine Rolle darin beschreiben?
Unsere SHIFTSCHOOL ist Deutschlands erste Akademie für Digitalisierung, Mindset & Digital Leadership. Zum einen bilden wir an unserer Akademie TeilnehmerInnen in einem berufsbegleitenden 18-monatigen Programm zu Digital Transformation Managern aus – mit klarem Fokus auf Skills, Mindset und Network. Hierfür haben wir ein Curriculum konzipiert, das komplett auf die Anforderungen des 21. Jahrhunderts ausgerichtet ist und eine Schule gebaut, auf die wir auch selbst gerne gegangen wären. Zudem kuratieren wir Corporate Transformation Programme für DAX-Konzerne und mittelständische Unternehmen. In unserem Startup kümmere ich mich primär um Finanzen, Kommunikation, Netzwerkmanagement in sämtlichen Varianten, den Akademiebetrieb an sich. Und ich arbeite unermüdlich daran, dass bei all der Arbeit auch der Humor nicht zu kurz kommt. Freude an der Arbeit und sich selbst nicht zu ernst zu nehmen finde ich nämlich sehr wichtig.
Warum fasziniert dich das Thema „Digitale Transformation“?
Was mich am Thema Digitale Transformation am meisten fasziniert, ist weniger der technologische Aspekt. Der ist ohne Zweifel wichtig und es ist spannend zu sehen, was sich in diesem Bereich alles bewegt. Mir persönlich geht es aber vor allem um die Frage, was dieser Wandel für uns Menschen bedeutet – und zwar in allen Facetten. Wie nehmen wir ihn wahr? Warum reagieren Menschen so unterschiedlich darauf? Wie gehen wir als Individuum, als Gesellschaft, als Unternehmen damit um? Und vor allem: Was kann Weiterbildung leisten, damit Menschen diesen Wandel aktiv mitgestalten und nicht nur gestaltet werden? Das ist die Faszination, die dieses Thema auf mich hat und auch einer der Gründe, warum ich die SHIFTSCHOOL gegründet habe. Damit ich da ganz nah dran bin, beobachten, testen – und selbst jeden Tag lernen kann.
Welche Rolle spielen Kreativität und Innovationsfähigkeit für dich bei der digitalen Transformation?
Kreativität beginnt damit, gute Fragen zu stellen. Und genau das ist es, was wir in diesen Transformationsprozessen dringend benötigen. Wer nur Altes digitalisiert, ohne Etabliertes in Frage zu stellen, schafft vielleicht etwas Effizienteres – aber nichts bahnbrechendes Neues. Die wirklich großen Hebel, die mit den neuen Technologien möglich sind, verlangen eine andere Vorgehensweise. Und das erfordert sehr viel Kreativität. Allerdings bekommt Kreativität nicht auf Knopfdruck, sondern erst, wenn man die richtigen Räume dafür schafft. Das ist zum einen die psychologische Sicherheit, Dinge in Frage stellen und Neues ausprobieren zu dürfen. Und zum anderen die Perspektive oder Aussicht darauf, dass diese neuen Ideen überhaupt eine Chance haben, sich im Unternehmen gegen das Etablierte durchzusetzen.
Ihr betont, dass es euch bei der Ausbildung in der SHIFTSCHOOL vor allem um das „Mindset“ eurer Teilnehmer geht. Warum?
Weil das Mindset der Schlüssel zur nachhaltigen Veränderung ist. Das Problem momentan ist, dass viele Firmen erst den Grad der Veränderung unterschätzen und dann meinen, ein paar schnell aufgesetzte Programme würden ausreichen, die verlorene Zeit aufzuholen. Wenn ich aber wirklich einen Kulturwandel initiieren will, reicht Aktionismus nicht aus. Diese Hauruckaktionen bleiben an der Oberfläche und sind letztlich nur „Innovationstheater“ ohne bleibende Wirkung. Und um das zu verhindern, brauche ich zunächst keine neuen Methoden, sondern eine neue Haltung. Nur wenn ich wirklich verstanden habe, warum ich mich überhaupt verändern soll, kann ich anfangen, Dinge zu verändern. Wenn ich diese Richtung nicht vorgebe, bleiben meine Veränderungsmaßnahmen wirkungslos. Deshalb ist für uns das Thema Mindset zentral.
Das Mindset ist der Schlüssel zu nachhaltigen Veränderungen. Share on X
Kannst du mir ein paar konkrete Beispiele nennen, wie ihr das Mindset eurer Teilnehmer positiv verändert?
Zuerst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass man eine Haltung nicht über Nacht verändert. Hier liegt meiner Meinung nach eines der größten Missverständnisse im ganzen Thema Transformation. Wenn ich beispielsweise 20 Jahre ManagerIn in einem Dax-Konzern bin und strikte Vorgaben und Jahrespläne gewohnt bin, werde ich sicher nicht von jetzt auf gleich agil – ich bin ja ganz anders sozialisiert. Vielmehr brauche ich viele neue Inspirationen, ein Umfeld von Gleichgesinnten und eine Art „geschützten Raum“, in dem ich mich ausprobieren kann sowie jemanden, der mich beherzt aus meiner Komfortzone stößt. An der SHIFTSCHOOL wählen wir deshalb den Ansatz des erfahrungsbasierten Lernens. Das heißt, wir schmeißen unsere Teilnehmer bewusst in bestimmte ungewohnte und auch unbequeme Situationen und lassen sie dann im Anschluss ihr Verhalten reflektieren. Wenn ich das oft genug mache, erreiche ich dadurch, das Verhalten zu ändern. Ganz wichtig hierbei ist, sich immer wieder bewusst zu machen: eine Abkürzung gibt es nicht, auch wenn die heutige Zeit uns das gerne suggeriert. Es gibt einfach keinen „shortcut“ beim Lernen, beim Thema Mindset und beim Thema Veränderung. Deshalb arbeiten wir in unserem offenen Programm ja auch 18 Monate mit unseren TeilnehmerInnen.
Was empfindest du aktuell als eure größte Herausforderung?
Wir haben nun über drei Jahre in unserer Arbeit mit über 80 TeilnehmerInnen und auch in der Arbeit mit zahlreichen Unternehmen aus unterschiedlichsten Industrien und unterschiedlichster Größe unglaublich viel beobachten können und lernen dürfen. In einer Zeit, in der sich ständig so viel ändert und „Wandel die einzige Konstante ist“, wie es so schön heißt, müssen natürlich auch wir uns ständig hinterfragen. Sowohl als Gründer bzw. Gründerin als auch als SHIFTSCHOOL an sich. Wir arbeiten an neuen Programmen, Kooperationen und an einem Buch. Die große Kunst und auch aktuell größte Herausforderung ist es, aus den unglaublich vielen Ideen, die wir ständig haben, klar den Fokus auf das zu legen, wovon wir überzeugt sind und was unserer Leidenschaft und Vision entspricht. Ohne natürlich zu wissen, ob es auch „erfolgreich“ wird. Diese Unsicherheit, wenn man plötzlich doch etwas zu verlieren hat – im Gegensatz zu vor drei Jahren, als wir bei „Null“ gestartet sind – muss man aushalten können. Und auch die Courage haben, weiterhin Entscheidungen zu treffen – sonst bewegt sich irgendwann nichts mehr. Was natürlich auch bedeutet, zu vielen Dingen, die von uns selbst und auch von außen an uns herangetragen werden und vielleicht kurzfristig verlockend klingen, entschieden Nein zu sagen – und mit dieser Entscheidung dann auch leben zu können.
In meinem aktuellen Buch über Leonardo da Vinci lautet eines der Erfolgsprinzipien für innovatives Denken und Handeln „Probe deinen Mut!“ Deckt sich das Prinzip mit deinen Erfahrungen?
Absolut! Wie ich weiter oben schon beschrieben habe, ist ein zentraler Punkt bei diesem Thema, die „Komfortzone“ zu verlassen. Es ist unglaublich spannend zu beobachten, was das mit Menschen macht, wenn sie plötzlich in ungewohntem Terrain sind. Wenn sie über den „Das wollte ich zwar schon immer mal machen, traue mich aber nicht“-Punkt und „ICH kann sowas garantiert nicht“-Punkt hinausgehen und plötzlich feststellen, was durch Mut alles möglich ist. Mag sein, dass es trotzdem nicht gelingt. Aber ich habe mich trotz allem darauf eingelassen, es versucht, bin über meine vermeintliche Grenze gegangen und habe dazugelernt. Das trifft natürlich auch auf mich selbst zu. So viel wie in den letzten vier Jahren als Gründerin war ich beruflich noch nie gezwungen, meine Komfortzone zu verlassen und Dinge anzugehen, von denen ich immer dachte, dass ich das nicht kann oder vor denen ich schlicht und einfach auch Angst hatte. Einiges davon habe ich sicher auch eher schlecht als recht gemacht. Aber: Ich habe plötzlich neue Seiten an mir entdeckt, neue Perspektiven dazugewonnen und vor allem merke ich, dass ich mittlerweile andauernd Dinge hinterfrage und Lösungen finden will. Und genau das beobachte ich auch bei vielen anderen Menschen, mit denen ich täglich zu tun haben und die „ihren Mut proben.“ Durch mutiges Denken und Handeln entsteht viel Neues.
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Wie hältst dein eigenes Denken flexibel, um offen für neue Eindrücke, Trends und Chancen zu bleiben? Hast du einen Tipp für unsere Leser?
Lesen. So viel und so ungestört wie möglich. Damit meine ich aber nicht so sehr das „Konsumieren“ eines Buches – sondern mich wirklich mit den Ideen, Gedanken und Thesen auseinanderzusetzen und darüber nachzudenken. Dann durch Beobachten. Ich liebe es, zu sehen, wie Menschen sich verhalten, wie sie miteinander interagieren, wie sie in bestimmten Situationen reagieren, wie sie mit Themen umgehen und wie sie an Herausforderungen herangehen. Daraus kann ich sehr viel lernen. Last but not least Zuhören. Und zwar wirklich zuhören. Was bewegt mein Gegenüber? Worüber macht er sich Gedanken? Was ist für ihn von Bedeutung – und vor allem: warum?
Ein schöner Schlusssatz. Danke, dass ich dir zuhören durfte, Christina!
Über Christina Burkhardt:
Christina Burkhardt ist Gründerin der SHIFTSCHOOL, Deutschlands erster Akademie für Digitale Transformation. Als Mutter von drei Kindern liegt ihr das Thema (digitale) Bildung besonders am Herzen. Sie engagiert sich zudem für mehr Gründerinnen und setzt sich als Mitglied in den Netzwerken Global Digital Women, PANDA und Digital Media Women für die Sichtbarkeit von Frauen in der Digitalwirtschaft ein. Sie ist also leidenschaftliche Brückenbauerin zwischen analogen und digitalen Welten und wurde Anfang 2019 für ihr Engagement mit dem Inspiring Fifty Award ausgezeichnet.