Gitta Peyn: Mit FORMWELT denken und kommunizieren - Da Vinci Forum

Juli 2021 | Interview

Gitta Peyn: Mit FORMWELT denken und kommunizieren

Frau Peyn, Sie haben gemeinsam mit Ihrem Mann Ralf die Universalsprache FORMWELT entwickelt. Wie kam es dazu?

Als ich mit blutjungen Zweiundzwanzig, frustriert nach Studium und Berufsausbildung, aus der Gesellschaft aus- und in einen Orden eingestiegen bin, wollte ich erst einmal nur wissen: „War das jetzt alles? Universitätslaufbahn und dann eingesperrt in akademische Rigiditäten oder Kofferträgerin für irgendeinen Mann in einer Marketingabteilung?“

Das war im Jahr 1987. Im Orden habe ich interessanterweise die Arbeiten von Luhmann, Varela, Maturana und die Prinzipien der Quantenphysik kennengelernt – eine völlig neue Welt tat sich mir auf. Der Orden war die Gesellschaft unter der Lupe: psychopathisch von oben organisiert, Statusspiele überall. Das war nicht mein Ding und ich bin da auch nicht lange geblieben, aber es war doch anregend und motivierend.

Dort habe ich auch Ralf kennengelernt. Er war klug, selbstbewusst und sehr klar – ein Universalgelehrter „in the making“. Nach einigen Rucklern in den ersten Jahren und viel superstrategischer und strukturierter Arbeit ist die Liebe unseres Lebens daraus geworden.

Damals habe ich mich mit der Philosophie und Psychologie des Ostens und Westens befasst und mir überlegt: Da müsste ich ein Konzeptsystem draus machen, das mir und anderen hilft, klarer in unseren Gedanken und in unserer Kommunikation zu werden. Ich nannte das „Modelling“ und ging damit zu Ralf, der auf genau denselben Gedanken gekommen war. Er meinte: „Wir müssen das mathematisch aufsetzen, um gleich die Maschinen mit an Bord zu nehmen, denn wir werden eine Sprache für Mensch und Maschine brauchen.“ Damit hatte er natürlich Recht. Also haben wir das „Ding“ gebaut: FORMWELT.

Worum geht es bei FORMWELT?

Es geht vor allem um die Klarheit von Denken, Sprechen und Handeln, die gerade in der Emergenz, in anderer Komplexität, dringend gebraucht wird. Sehen wir uns aufmerksam um, sehen wir überall Konflikte, die im Grunde kein Mensch braucht und die nur daher rühren, dass Menschen nicht sagen können, was sie meinen und nicht meinen können, was sie sagen. Das war für mich immer der entscheidende Punkt: Die unglaubliche Ressourcenverschwendung, die wir betreiben, weil wir als Menschen einfach noch gar nicht wirklich richtig denken, sprechen, lesen, schreiben und zuhören gelernt haben.

Und genau das kann FORMWELT für uns alle leisten. Deshalb haben Ralf und ich entschieden, unser Leben dieser Forschung und der Erforschung komplexer lebender Systeme zu widmen. Das ist unser persönlicher Beitrag, dass wir global besser mit unseren Energien umgehen, uns weniger, dafür aber besser, streiten können und dass sich Menschen in ihrer eigenen Semiosphäre emanzipieren können.

 

 

Wie sieht ein Anwendungsszenario für die Universalsprache FORMWELT aus?

Da fallen mir gleich mehrere ein. Denn FORMWELT heißt einfach, dass Sie die Wörter, die Sie sowieso schon benutzen, ab sofort mit Tiefenstruktur benutzen. Das heißt, Sie wissen bei jedem Begriff, den Sie nutzen, genau was Sie damit meinen und können, da Ihre Wörter und anderen Zeichen über FORMWELT referenziert wurden, Anderen diese Tiefenstruktur offen zeigen.

Bei mir sind mittlerweile ungefähr 50 bis 80 % aller Wörter (je nach Kontext) referenziert, oder es handelt sich um Synonyme von bereits referenzierten Wörtern. Das bedeutet: Ich weiß genau, wovon ich rede oder kann mir meine Konzepte mit FORMWELT so durchreferenzieren, dass ich es weiß. Das ist ein enormer Vorteil, weil ich dadurch keinen wackligen „Ich-Punkt“ mehr habe, den Viele haben, wenn sie mit anderen zu tun haben. Besonders in Konflikten reagiere ich zwar immer noch emotional, sobald einer meiner „Trigger“ gedrückt wird, aber mein Verstand bleibt klar. Denn ich weiß, was ich weiß und wer ich bin. Das ist ein unglaubliches Gefühl innerer Stabilität.

Besonders schön finde ich die Anwendung in sozialer Konfliktarbeit. FORMWELT ermöglicht Beteiligten im Konfliktfall ihre Begriffe zu klären, sie sich gegenseitig zu zeigen und begreifbar zu machen: Was der Eine beispielsweise unter „Freiheit“ versteht, ist niemals dasselbe wie das, was sich der Andere darunter vorstellt. FORMWELT vermittelt einfach fundamental: Wir alle sind Individuen. Jeder sieht die Welt anders. Aber FORMWELT hilft eben auch dabei, voll und ganz in die Referenzen und Konzepte des Anderen einzusteigen.

Wir bauen gerade FORMWELT Online auf und das Projekt ist umfassend einsetzbar: Ob Bildung, Therapie, Mediation, Unternehmenszusammenschlüsse, Coaching, Diplomatie, inter- und transdisziplinäre Forschung, Organisations- und Kommunikationsdesign – denken Sie sich etwas aus und ich finde eine Anwendung dafür. (lacht)

FORMWELT ermöglicht Beteiligten im Konfliktfall ihre Begriffe zu klären, sie sich gegenseitig zu zeigen und begreifbar zu machen. Klicken Sie um zu Tweeten

 

Bitte vervollständigen Sie diese drei Sätze …

1. Am meisten beschäftige ich mich aktuell mit …

dem Aufbau von FORMWELT Online, unseren Larnaca-Conferences und einigen sozialen Pilotprojekten, darunter z.B. der Einsatz von FORMWELT als Entwicklungshilfe in Indien.

2. Innovation heißt für mich …

Menschen freilassen, damit sie machen können.

3. Möglichst viele Menschen sollten FORMWELT kennenlernen, weil …

es einfach eine tolle Sache ist. 🙂

Danke für den zweiten Teil unseres Interviews (→ Teil 1).

 

Über Gitta Peyn:

Gitta Peyn, Jahrgang 1965, ist eine deutsche System- und Kybernetikforscherin. Seit über dreißig Jahren arbeitet sie an einem universellen Referenzsystem für menschliche Kommunikation (FORMWELT) und an einer FORMenlogik zur Modellierung komplexer Entscheidungssysteme. Sie ist Gründerin des FORMWELTen-Instituts, Initiatorin der Larnaca-Conferences und Autorin beim Carl Auer Verlagsmagazin. 2022 wird im Carl Auer Verlag ihr Buch „Komplexitätsmanagement Praxis“ erscheinen.

 


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